Das Frauenhaus von Stadtlengsfeld

Hier ging es kürzlich sprichwörtlich Schlag auf Schlag. Nachdem offensichtlich eine Fensterscheibe vom Dachgeschoss auf dem Markt gefallen war, musste schnell gehandelt werden. Die Verkehrsbehörde des Landratsamtes hat dann in letzter Konsequenz die Sperrung des Marktes angeordnet – der vorläufige Höhepunkt eines 30jährigen Versagens.

Aber zunächst einmal ein paar historische Hintergründe – vielen Dank an unseren Ortschronisten Rolf Leimbach für die Zuarbeiten.

Das Frauenhaus ist lange vor 1800 erbaut worden. Im „geometrischen Grundriss der Stadt Lengsfeld“ von W. Mosebach aus 1820/21 ist das Frauenhaus bereits mit der Flurnummer 222 eingetragen. Die Stadt hat das Haus gebaut um Frauen, die in Not geraten waren, Unterkunft zu bieten, später wurde auch ärmsten Familien der Stadt Unterhalt gewährt. Der anschließende Frauenberg erhielt seinen Namen aufgrund seines bekannten Gebäudes. Die damaligen Stadträte, Vereine und Stiftungen waren bemüht etwas für die Ärmsten zu tun und erhielten Unterstützung von der Frau des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ihr zu Ehren wurde 1878 der (eigentliche) Sophienpark angelegt.

Um 1890 war das Haus durch neun Personen/Familien belegt. Diese Bewohner wurden umgangssprachlich „die Armenhäusler“ genannt. Eine in der Stadt bestehende „Armenhausstiftung“ versorgte die Bewohner mit Nahrung, Brennholz, ließ Fenster, Türen Fußböden, Treppen und Öfen reparieren, tünchte Wände und Decken gegen Ungeziefer. Für die Beaufsichtigung des Armenhauses (Ordnung, Reinlichkeit, Verschließbarkeit, Erhaltung des baulichen Zustandes) war der Krankenwärter des städtischen Krankenhauses Heinrich Perniß zuständig.

Ein 1919 geplanter Umbau zum städtischen Rathaus scheiterte an den Kosten. Bis nach der Wende war das Gebäude in einem guten Zustand und wurde von Familien bewohnt. 2011 wurde der Markt neugestaltet, ließ das Frauenhaus trotz seiner Bedeutung für diesen aber außen vor und um es noch schlimmer zu machen, ließ der damalige Bürgermeister die Eingangstreppe entgegen abreißen. Seit 2017 ist das Frauenhaus Kulturdenkmal.

15 Studenten der Stadt- und Raumplanung der Fachhochschule Erfurt hatten im Wintersemester 2016/17 als Studienprojekt ein Leerstandsma-nagement zu den Gebäuden der Stadt Stadtlengsfeld erstellt. Auf zehn Seiten widmen sie sich dem Zustand des Frauenhauses und einem künftigen Nutzungskonzept. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Zustand des Frauenhauses so schlecht, so dass eine Kernsanierung oder ein Abriss als unausweichlich erachtet wurde. In einem Zeitungsbericht vom 05.09.2025 stellt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie klar, dass ein formaler Antrag auf Abriss, Sicherung oder Umbau bis dato nicht gestellt wurde.

§ 7 des Thüringer Denkmalschutzgesetzes (ThürDSchG) schreibt eine Erhaltungspflicht von Denkmälern vor. Auch wenn das Frauenhaus erst seit 2017 Kulturdenkmal ist bestand schon zuvor ein „Ensembleschutz“ durch die Gestaltungssatzung der Stadt Stadtlengsfeld.

Seit nunmehr 30 Jahren verfällt das Frauenhaus, ohne dass jemand ernsthafte Bemühungen unternommen hat, das Gebäude zu erhalten und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Dazu hätte es nicht kommen müssen, hätten sich alle einmal an einen Tisch gesetzt und Lösungen besprochen oder das Konzept zum Leerstandsmanagement aufgegriffen.

Stadtlengsfeld ist der Ort der verkommenen Gebäude, Ruinen, Bauzäune und Flatterbänder.

Historische Bilder: Rolf Leimbach

Amtliche Informationen zur Situation rund ums Frauenhaus

Berichterstattung in der lokalen Presse

  • Sitzen, Treffen, Erholen
    08.06.2011 – inSüdthüringen.de
  • Viele gute Ideen für die kommenden Jahre
    26.04.2017 – inSüdthüringen.de
  • Manager und Lotse gegen Leerstand
    05.05.2017 – inSüdthüringen.de
  • Haus einsturzgefährdet – Abriss verboten
    01.09.2025 – inSüdthüringen.de
  • Denkmalschutz widerspricht Hugk
    05.09.2025 – Seite 14 (Freies Wort/Südthüringer Zeitung)
  • Leser-Meinung – „Eigentum verpflichtet“
    12.09.2025 – Seite 14 (Freies Wort/Südthüringer Zeitung)
  • Angst vor Hauseinsturz – Familie lebt im Garten
    26.09.2025 – inSüdthüringen.de
  • Kommentar – „Es geht nur um Macht“
    30.09.2025 – Seite 13 (Freies Wort/Südthüringer Zeitung)

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